Günther Aigner
Ein Skitourismus-Forscher im Interview. Er weiß was die Zukunft bringt.
nach Ihren Forschungstätigkeiten am Institut für Sportwissenschaft der Universität Innsbruck sind Sie ins Tourismusmarketing gewechselt. Wie kam es dazu? Warum sind Sie nicht in der Forschung geblieben?
Wie so vieles im Leben war auch dies reiner Zufall. Man hat mich kontaktiert und mir mitgeteilt, dass Kitzbühel Tourismus einen Marketing-Mitarbeiter sucht, der das Sportangebot der Destination neu sortieren und aufbereiten soll und der sich um die Veranstaltungen kümmert. Das Ski- und Wintermarketing war von Anfang an von hohem Gewicht. Die Forschung finde ich nach wie vor reizvoll, jedoch möchte ich derzeit nicht an einer Universität arbeiten. Ich habe das Gefühl, dass die Forschungszwänge an der Universität die Freiheit bei weitem übertreffen, vor allem bei heiklen Themen wie dem Klima.
Ich habe sieben tolle Jahre bei Kitzbühel Tourismus verbracht und blicke mit Freude zurück. Nach und nach war mein wichtigstes Tätigkeitsgebiet das Wintermarketing und wie man sich denken kann, ist das Wintermarketing für die Destination Kitzbühel essentiell. Mir ist es gelungen, die wichtigsten USP’s für das Skifahren in Kitzbühel herauszuarbeiten und als Kernthemen in das Tourismusmarketing zu integrieren.
1) Ich schreibe Studien für Skigebiete und Tourismusregionen. So konnten wir beispielsweise das Pillerseetal als die „schneereichste Region Tirols“ positionieren. 2) Ich halte Vorträge zum Thema „Zukunft Skitourismus“. 3) Ich halte Gastvorträge und Lehrveranstaltungen an Uni’s und FH’s.
Es gibt für alle möglichen Disziplinen Experten. Nur für den Skitourismus, welcher für weite Teile Westösterreichs die wichtigste „Exportindustrie“ darstellt, gibt es keinen „Experten“. Das wollte ich ändern. Ich möchte alle Wissenschaftsdisziplinen, welche auf den Skitourismus einwirken, vereinen und den Kontakt mit den jeweiligen Experten herstellen. Ich sehe mich also auch als Netzwerker. Und als Lobbyist FÜR den Skisport, weil in Wissenschaft und Medien derzeit ständig auf den Skisport draufgehauen wird. Der Skisport befindet sich leider im medialen Strafraum.
Das Zielpublikum für meine großen Studien sind die großen Skigebiete und die ski-affinen Tourismusregionen. Bei meinen Vorträgen ist das anders: Hier möchte ich alle Menschen ansprechen, welche am Skisport interessiert sind.
Derzeit beschäftige ich mich hauptsächlich mit amtlichen Klimadaten und gehe der Frage nach: Wie haben sich die Wintertemperaturen auf den Bergen der Alpen verändert? Wie die Schneemengen bzw. die Dauer des Winters (Anzahl der Tage mit Schneebedeckung)? Als zweite Forschungsfrage beschäftigt mich derzeit, welches Zielpublikum sich in Zukunft den Skisport noch leisten kann.
Da bin ich ganz bei Ihnen: Skifahren muss nicht teuer sein. Es gibt genügend kleine oder mittelgroße Skigebiete, welche man sich recht gut leisten kann. Und das wird auch so bleiben. Wenn ich vom elitären Skisport spreche, dann spreche ich von den großen Premium-Skigebieten in den Alpen. Dort findet der Skitourismus hauptsächlich statt. Die Ticketpreise in diesen großen Premium-Skigebieten steigen deutlich schneller als die Lohn- und Gehaltsabschlüsse in Mitteleuropa. Jedoch sind es auch gerade diese Skigebiete, welche jedes Jahr enorme Summen in die Verbesserung ihres Skigebietes investieren. Das heißt wir haben ein Luxurisierungs-Phänomen bei den Premium-Skigebieten, nicht aber beim Skisport allgemein.
INFOBOX
©Günther Aigner
Der Tiroler Skitourismus-Forscher Günther Aigner absolvierte die Diplomstudien der Sportwissenschaft und der Wirtschaftspädagogik an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck und an der University of New Orleans („UNO“, USA). Nach weiterführenden Forschungstätigkeiten am Institut für Sportwissenschaft der Universität Innsbruck bei Univ.-Prof. Dr. Elmar Kornexl folgt der Wechsel ins Tourismusmarketing. Von Juni 2008 bis Juli 2014 koordinierte er für den Tourismusverband “Kitzbühel Tourismus” das Veranstaltungsportfolio und leitete das Wintermarketing der Destination Kitzbühel. Seit August 2014 ist Aigner hauptberuflich als Skitourismus-Forscher tätig und führt die Plattform “Zukunft Skisport”. Seine „Fünf Thesen zur Zukunft des alpinen Skisports“ stellte der Tiroler erstmals beim Europäischen Forum in Alpbach vor. Es folgten zahlreiche Fachvorträge im In- und Ausland sowie Beiträge und Interviews in TV-, Hörfunk- und Printmedien. Lehrtätigkeiten an Hochschulen in Innsbruck, Salzburg, Kufstein, Krems, Seekirchen, Belgrad und Baku sowie bei der Ausbildung zum österreichischen staatlich geprüften Skilehrer.
Infos: www.zukunft-skisport.at
Es ist eine meteorologische Tatsache, dass die Winter auf den Bergen im Alpenraum innerhalb der letzten 30 Jahre kälter geworden sind. Die Schneemengen haben sich nicht signifikant verändert. Probleme mit dem Schnee haben hauptsächlich Skigebiete, welche unterhalb von 800 Meter Seehöhe liegen. Diese Probleme dauern schon seit über 30 Jahren an. Beim Thema „Klimawandel & Skisport“ wird in den Medien so viel Schwachsinn verbreitet, dass einem fast schwindlig wird. Jeder schreibt vom anderen ab, einer plappert dem anderen nach. Und fragt man einen der „Experten“, das Verbreiten von diffusen Ängsten („Im Jahr 2030 kein Skisport mehr unterhalb von 1.500 Meter Seehöhe möglich“) mit amtlichen Messdaten ganz konkret zu untermauern, dann herrscht Schweigen im Walde. Meine Aufgabe ist es somit nicht, über die klimatische Zukunft des Skisports zu sprechen, sondern ich analysiere, mittels Zeitreihenanalysen von amtlichen Messreihen, das alpine Klima der jüngsten Vergangenheit, also der letzten 120 Jahre. Denn seit etwa 120 Jahren wird in den Alpen und den deutschen Mittelgebirgen Ski gefahren.
Mein stärkstes USP ist sicherlich die Vielseitigkeit. Ich fahre natürlich seit meiner Kindheit Ski, stand aber auch viele Jahre am Snowboard. In beiden Disziplinen habe ich den Tiroler Landesskilehrer absolviert und jahrelang, neben meinem Studium, etwas Kleingeld verdient. In meiner Jugend war ich Langläufer und habe Wettkämpfe bestritten. Davon geblieben ist, dass ich jedes Jahr, wenn es der Schnee und die Zeit erlauben, am legendären „Koasalauf“ (Ski-Marathon in Tirol) teilnehme. Meine größte Passion im Wintersport ist aber das Skibergsteigen.
Ich liebe die Tiefschneehänge in Zürs am Arlberg. Und dies nicht nur wegen der Topographie, sondern auch deshalb, weil ich meine schönsten Studienzeiten als Skilehrer in der Skischule Zürs erlebt habe. Weiteres findet man mich häufig in den Skigebieten Kitzbühel und Waidring-Steinplatte. Zum Skibergsteigen empfehle ich die Loferer Steinberge, aber Achtung: 1.600 Höhenmeter musst Du draufhaben!
Die Freiheit in der schönen Natur, das Schweben im Pulverschnee und die Eigenverantwortung beim Skibergsteigen und Tiefschneefahren. Aber auch der soziale Kontakt mit Freunden und Familienmitgliedern. Ein paar gepflegte Biere nach dem Skifahren sind zwar kein Muss, aber unter Freunden ist das dann der Tupfen auf dem i eines perfekten Skitages. Skifahren tut nicht nur dem Körper, sondern auch der Seele gut.